The Thing – Filmkritik

Das Monströse par excellence. Über John Carpenters Meisterwerk des fremden Terrors. (Der Schnitt)

John Carpenters Interpretation der frühen Body Snatcher-Novel „Who goes there?“ Von J. W. Campbell Jr. zählt zu den stilsichersten und spannendsten Science-Fiction-Werken der Filmgeschichte. Bis heute wird seine gelungene Verbindung aus psychischem und körperlichem Horror leider häufig missverstanden und immer noch kontrovers diskutiert. Von Ursache und (Wechsel-)Wirkung.

Das Ding aus einer anderen Welt (The Thing) kam 1982 weltweit in die Kinos – und floppte. Das war zu einer Zeit, als alle Welt E.T.-verseucht dem schroffen, apokalyptisch geprägten Science-Fiction-Kino den Rücken zuwandte. (Blade Runner war, fast zeitgleich, auch ein solcher programmatischer Flop.) Carpenter indes schuf, unbeirrbar von Ridley Scotts Alien (1979) geprägt, das Monströse par excellence: die Geschichte um eine kleine Forschergruppe in der Antarktis, denen das außerirdische Grauen in Form eines Gestaltwandlers begegnet. Ein zunächst nicht identifizierbares Ding, das unberechenbar und asexuell motiviert, jedoch mit der größtmöglichen Körperlichkeit in menschliche Hüllen schlüpft und zum Synonym des Persönlichkeitsverlusts stilisiert wird.

Der Begriff des „shape shifter“ aus der literarischen Vorlage wird in Carpenters Version in allen nur denkbaren Varianten visualisiert. Dagegen sieht die erste Verfilmung von Christian Nyby und Howard Hawks (Co-Regisseur und Produzent) von 1951 wie eindimensionales, farbloses Puppentheater aus. Und genau hier befinden wir uns an dem Punkt, wo die Meinungen auseinandergehen, entscheidend bleibt die Richtung der Argumentationslinie. Betrachtet man nun Carpenters Werk als „Ausstellungsmöglichkeit für die verblüffenden Möglichkeiten der Trick- und Spezialtechniken des modernen Hollywoodkinos“ (Lexikon des internationalen Films), nimmt dies dem Film sofort die narrative und figurative Essenz, untergräbt all dessen filmische Qualitäten mit einem Satz. Nimmt man diesen Satz nun aber als absoluten Gegenpol zur eigenen, fan-basierten Betrachtungsweise, hebt man den Film vorsichtig, aber bewusst auf ein revanchistisches Niveau, bei dem über kurz oder lang immer wieder die alte Zensurdebatte in den Vordergrund rückt. Fakt ist: Der Film wurde nach seinem Erscheinen auf dem deutschen Videomarkt 1983 auf den Index für jugendgefährdende Medien gesetzt und hat sich im Laufe der folgenden Jahre bei einem nicht zu verachtenden Genrepublikum als Kultfilm etabliert. Nach einer Neuprüfung im letzten Jahr hat The Thing in Deutschland nun sogar eine Jugendfreigabe erhalten und in Anbetracht dieser Tatsache verwundert es kaum, dass einige Filmreihen, wie beispielsweise Hard:line in Regensburg es sich zur Aufgabe gemacht haben, jene medienhistorische Debatte noch einmal aufzugreifen. Das ist auch gut so.

Der Film kam aber schon 1982 in die Kinos, noch bevor er die Jugendschützer auf den Plan rief. Er stellt auch einen markanten Wendepunkt in der Karriere Carpenters dar, für den er sich mit 15 Millionen US-Dollar als erste hochbudgetierte Produktion gestaltete. Und selbst wenn ein Großteil dieser Gelder in Ausstattung, Technik und die rabiat konstruierten Splattereffekte von Make-up-Artist Rob Bottin floss, bleibt eine filmspezifische Tatsache von Beginn an unübersehbar. Carpenter konnte mit der für ihn typischen Sichtweise auf zunächst verborgene Objekte (und Subjekte) dem Horrorstoff einige interessante Nuancen abgewinnen. Die Forschungsstation am Südpol wirkt in ihrer Abgeschiedenheit wie der lebensfeindlichste Ort der Welt. Beispielhaft werden hier Korridore und Zimmer als ausweglose Orte inszeniert, die dem Film bis ins Detail eine klaustrophobische und beklemmende Stimmung verleihen. Lange Einstellungen und ruhige Bewegungen der Protagonisten werden gezielt eingefangen, und dienen dazu, der erzählten Geschichte von Misstrauen und Angst enorme Proportionen zu geben.

Es ist jene endzeitliche Vision einer Welt, die schon in Assault – Das Ende (Assault on Precinct 13, 1976) und Die Klapperschlange (Escape from New York, 1981) entscheidenden Eingang gefunden hatte und Carpenter den Spitznamen „Fürst der Dunkelheit“ eingebracht hat. Nicht zu Unrecht, wenn man sein Gesamtwerk im Kontext betrachtet. Im Fall von The Thing sind es eben nicht primär die expressiven Spezialeffekte über Verstümmelung und Morphologie, auch wenn sie einen wichtigen Teil des Films darstellen. Tragend für die beklemmende Stimmung des Films bleibt Carpenters Gespür für Suspense, was er in Anlehnung an sein großes Vorbild Hitchcock geradezu meisterlich in Szene setzt. Exemplarisch stehen hierfür bereits die ersten 30 Minuten des Films, in denen uns die Charaktere vorgestellt und Panik und Terror herangezüchtet werden. Keine einzige Sekunde wird mit unnötigem Ballast verschwendet, wir sehen das, was wir sehen sollen. Auch wenn die stark fiktionale Geschichte einiger Dialogsätze bedarf, vollzieht sich der Kern des Films in exakt durchkomponierten Bildfolgen, die mit genau gesetzten Abblenden wie ein bedrohlich-rhythmisierter Atem funktionieren und dem Zuschauer jenes reizende Unwohlsein vermitteln, auf welches das sonst so unweigerliche Kotzen folgt.

The Thing wurde häufig im Kontext der für die 1980er Jahre typischen Oberflächen-Ästhetik als Markstein des Body Horror diskutiert. Gleichzeitig kratzt diese Argumentation aber nur an dessen erster Schicht. Der Kern des Films bleibt unberührt: Wandlungsformen werden konsequent durchdekliniert, von innen nach außen und wieder zurück. Das Panoptikum der Verstümmelung und Deformation lässt sich keineswegs als eigene Showeinlage oder losgelöst von der psychologisch motivierten Handlung betrachten. Der Film in seiner völligen Gesamtheit erzählt eine überaus verstörende Geschichte über innere und äußere Deformationen. Angst essen Seele – und Körper – auf.

Erschienen in: Der Schnitt (online), 11. April 2012