Mad Max – Der Vollstrecker – Filmkritik

In der Glut des Südens. Über George Millers stilprägende Fortsetzung der Mad Max-Reihe. (Der Schnitt)

Es gab im Laufe der Filmgeschichte immer wieder Fortsetzungen, die es auf virtuose Weise schafften, den Charme, die Kraft des Originals noch zu toppen. Häufig sind es jene Sequels, die vom ursprünglichen Regisseur selbst inszeniert wurden: Terminator 2 – Tag der Abrechnung (1991), so befinden viele, The Dark Knight (2008), ganz ohne Zweifel und das wohl berühmteste Beispiel: Der Pate Teil II (1974) von Altmeister Francis Ford Coppola. Diese Filme zählen häufig zu den stilsichersten Vertretern ihres Genres, bleiben dem Zuschauer gar ein Leben lang in Erinnerung. Wir drehen die Erdkugel, schauen ans andere Ende der Welt.

Wir befinden uns im australischen Outback, die Achtziger haben gerade so richtig begonnen. Auch hier geht im wahrsten Sinne des Wortes der Punk ab, apokalyptische Endzeitvisionen soweit das Auge reicht. Blade Runner (1982) war noch nicht einmal realisiert, da befand der damals 35-Jährige George Miller, seinem Überraschungserfolg Mad Max aus dem Jahre 1979 eine ganz neue Dimension zu verleihen. Max Rockatansky (Mel Gibson), gleichsam Opfer und Beteiligter einer menschenverachtenden Gewaltfehde, bei der er seine Familie verlor, hat sich ins selbstgewählte Exil begeben. Die Wüste, das schroffe Niemandsland ist nun seine neue Heimat. Er selbst wurde ein anderer Mensch, ein, wie die altersraue Stimme des Erzählers preisgibt „ausgebrannter Einzelgänger“, ein Mann, der auf der Flucht vor seinen Dämonen selbst zu einem wurde und quer über die glühende Sandhölle unter nur noch einem Namen bekannt ist: Max, der Vollstrecker.

Die 1981 gestartete Weiterführung der Mad Max-Saga, die 1985 vorerst ihren Abschluss nahm, wurde ähnlich dem Erstling mit wenigen Mitteln realisiert, dennoch wirkt sie ausgefüllt, ist reichhaltig an originären Motiven. Gedreht wurde fast ausschließlich im Steppen- und Wüstengebiet von Mundi Mundi Plains (New South Wales) und Pinnacles/Bamboo Creek (Western Australia). Das Ozonloch gibt’s dort ja schon seit längerem, also hat man sich nicht gescheut, mit ordentlich Pyrotechnik zu arbeiten, sodass einmal im Film sogar eine komplette Raffinerie-Station in die Luft fliegt. The Road Warrior, wie der Film auch im amerikanischen Verleih heißt, zählt hinsichtlich Actionchoreografie und schnörkelloser Erzählweise zweifellos zum Besten, was die Achtziger hervorgebracht haben, aber es sind vor allem auch die atmosphärisch bebilderten Naturelemente, die den Streifen unvergessen machen.

Miller und sein Kameramann Dean Semler (Apocalypto, Der mit dem Wolf tanzt) lassen die Bewegungsrichtungen des filmischen Auges mit denen der Protagonisten verschmelzen. Sie fangen gezielt das breite Spektrum des Sonnenlichts ein, der weite Horizont des australischen Outbacks schimmert nur so von strahlendem Blau über gleißendes Gelb bis hin zu blutigem Dämmerrot. Die natürliche Umgebung wird tagsüber, wie auch in tiefschwarzer Nacht in all ihrer anmutig-statischen Kargheit visualisiert. Die hochstilisierten Figuren werden häufig eins mit der Wildnis: der Gyro Captain (Bruce Spence) schält sich wie seine haustierähnliche Schlange blitzartig aus dem sandigen Untergrund, vermag aber dank seiner technischen Ausrüstung auch zu spähen und zu fliegen wie ein Adler, der auf Beute aus ist. Max schließlich ist ein Meister der Tarnung und der unangefochtene Herrscher auf den Straßen. Sein hochgetunter Ford Falcon V8 („Interceptor“) ist das edle schwarze Ross, das er durch die Prärie treibt. Nicht zuletzt der viertelstündige Showdown zeugt ganz von dem Bewegungsrhythmus eines erstklassigen Western wie Stagecoach; ähnlich wie dort die bespannte Pferdekutsche, wird hier ein riesiger Benzin-Truck über die staubige Desert Road gejagt.

Der effektive Score von Brian May wirkt wie die treibend-aggressive Alternative eines James Horner- oder John Williams-Albums. Gemäß den auditiven Regeln des publikumswirksamen Hollywoodkinos gesteht der Komponist vielen Figuren je ein eigenes Thema zu, aber anders als im verspielten Amerika wird hier ungehaltenes Erwachsenenkino zelebriert, hart und schonungslos. Generell wirkt der Film wie eine Konzentration auf das Essenzielle – gesprochen wird wenig, dafür umso mehr gezeigt. Leichenfledderei, Vergewaltigung, Kreuzigung im Abendsturm. Die Wüste kocht und speit in regelmäßigen Abständen Druckfontänen aus Kugelhagel und Blut aus. Die Protagonisten sind post-apokalyptische Verwilderte, viel näher an Tieren als am „zivilisierten“ Technikkrieg. Jeder ist immer und überall bereit, für einen vollen Tank zu töten – das ist die ernüchternde Philosophie des Mad Max-Universums, wo jenseits aller Moral nur noch das Recht des Stärkeren zählt. Zynismus und Kampfeslust soweit das Auge reicht. Die Urtriebe der menschlichen Gesellschaft bebildert durch poetisch-wortkarges Gewaltinferno.

Erschienen in: Der Schnitt (online), 15. Juli 2012