Serpico – Filmkritik & Review
Unnachgiebiger Realismus. Sidney Lumet schickt Al Pacino als unkorrumpierbaren Cop auf die Straße. Klassiker des Polizeifilms nach Frank Serpicos eigener Geschichte. (Fluxkompensator)

Die 1970er waren, ich darf es immer wieder betonen, mein Lieblingsjahrzehnt des Kinos – eine Phase im internationalen Spielfilm, in der besonders mutig und ideenreich konzipiert und inszeniert wurde. Nicht nur im Rahmen des New Hollywood, wie in diesem Fall, wurden die Grenzen des Vorzeigbaren und Darstellbaren neu gesetzt, wurde nach einer neuen Stufe von Intensität gesucht. Serpico (1973) ist hierfür vielleicht nicht das beste Beispiel, da er doch recht zugänglich ist, doch stand auch er voll im Trend eines geradezu unnachgiebigen Realismus im US-Kino. Als fast ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht wurde und nichts beschönigt wurde; als die (immer noch) tiefsitzende Angst und Paranoia der US-Gesellschaft aus jeder körnigen Pore des Zelluloids triefte und wie eine klaffende Wunde, für uns Zuschauer sichtbar, freigelegt wurde. Serpico – wie eigentlich alle Werke von Regisseur Sidney Lumet – ist und war immer auch ein politischer Film.
In diesen narrativen wie ästhetischen Realismus fügen sich auch Al Pacinos andere Darbietungen jener Zeit ein, so etwa Panik im Needle Park (The Panic in Needle Park, 1971, R: Jerry Schatzberg) oder Hundstage (Dog Day Afternoon, 1975), letzterer wieder von Sidney Lumet und ähnlich wie Serpico ein großer Erfolg bei Kritik und Publikum. Lumet, der sich im Laufe seiner Karriere wiederholt und ergiebig mit dem Spannungsfeld Jurisdiktion/Exekutive beschäftigte, setzte mit der stilsicheren Inszenierung von Serpico einen Markstein. Zusammen mit dem Protagonisten werden wir Zuschauer von einer Location in die nächste „versetzt“, spüren den immerzu authentischen Vibe des elektrisierenden und umtriebigen Kosmos Big Apple, jedoch abseits von Wahrzeichen und Postkartenbildern, the real thing: Seitenstraßen, deren Betreten bereits immense Aufregung verursacht, oder stickige Interieurs und einengende Korridore, in die das Leben nur so hineingepfercht wurde.