Benedetta – Titelstory
Sex & Crime im Nonnenstift oder: die Liebe und der Zorn Gottes. (Deadline – das Filmmagazin)

Als 2017 bekannt wurde, dass Altmeister Paul Verhoeven dem skandalträchtigen Leben von Nonne Benedetta Carlini seinen nächsten Film widmen würde, war die freudige Anspannung (nicht nur) unter seinen Jüngern entsprechend groß. An der Seite von Produzent Saïd Ben Saïd, mit dem Verhoeven bereits bei Elle (2016) zusammengearbeitet hatte, sollte demnach Judith Cora Browns Buch „Immodest Acts – The life of a lesbian nun in Renaissance Italy“ (1986) verfilmt werden. Bereits 2019 hätte Benedetta veröffentlicht werden sollen, nach teils privaten, teils pandemischen Umständen feierte der Film in diesem Sommer endlich seine Weltpremiere, kommt nun auch in unsere Lichtspielhäuser. Ohne größere Handlungsstränge zu spoilern, schauen wir etwas tiefer in die Seele von Benedetta und berichten Euch, ob sich das Warten gelohnt hat.
Wer nur zwei, drei Filme von Paul Verhoeven gesehen hat, der spürt bereits seinen rebellischen Geist, in jedem Fall bleiben so manche expliziten Bilder um Nacktheit und Gewalt unvergessen. Wer sich nur etwas näher mit seinem Schaffen beschäftigt hat, der erkennt die zahlreichen religiösen Symbole und Motive in seinen Filmen. Verhoeven geht es, in dezidiert anderer Weise als David Cronenberg etwa, um das Spannungsfeld zwischen Fleisch und Geist, das stets in Koexistenz erscheinen muss, um seine volle Wirkung zu entfalten. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass Verhoeven jahrelang ein Jesus-Seminar besucht hat – nachdem er 1985 in die USA zog – und dort sowohl kritisch als auch fasziniert über den (realen) Jesus von Nazareth gehört und gelernt hat. Seine Gedanken hat er in dem Buch „Jesus – Die Geschichte eines Menschen“ (2009) niedergeschrieben, dessen Lektüre an dieser Stelle, gerade im Rahmen der aktuellen Veröffentlichung von Benedetta, wärmstens empfohlen sei. Zum unbedingten „Verständnis“ des Films bedarf es der Lektüre zunächst nicht: es ist zielführend genug, wenn man das filmische Vokabular Verhoevens verinnerlicht hat.
Vollständige Besprechung in Deadline – das Filmmagazin, Nr. 90, 2021